Am Ende des Weges
Das kleine Zwiebelchen, welches im Netz
an der Kellertreppe zwischen all seinen Verwandten hing, die schon groß
und ausgewachsen waren, schaute wieder einmal zu dem Loch in
dem Netz, welches mit der Zeit immer größer geworden war und jetzt
eine richtige Gefahr darstellte. Es hatte Angst, dass es irgendwann durch dieses Loch auf den Kellerboden fallen und vergessen
sein würde. Trotz dieser Angst musste es immer wieder überprüfen,
ob es auch noch fest genug saß und ihm nichts passieren konnte.
Doch noch lag es fest auf seinem Platz.
Ab und zu kam jemand aus der Küche,
griff in das Netz und nahm sich ein oder zwei Zwiebeln heraus. Auch
das Zwiebelchen hatte der Koch schon einmal in der Hand gehabt. Doch er hatte es für zu klein befunden und wieder zurückgelegt. Es wäre zu
gerne auch größer, um auf einem Tomatensalat oder bei
einem guten Braten für den richtigen Geschmack zu sorgen.
Seine großen Verwandten schauten nur
verächtlich auf ´s Zwiebelchen herab und blieben unter sich. Jedes Mal, wenn
jemand kam, um eine Zwiebel auszusuchen, reckten sie sich vorwitzig
in die Höhe, damit sie endlich ihrer Bestimmung zugeführt werden konnten.
Am besten fanden sie es, wenn der Koch
Zwiebelsuppe kochte. Denn dann durften sehr viele von ihnen damit
rechnen, verwendet zu werden.
So ein Tag war heute wieder.
Die Kellertüre öffnete sich und es wurde hell in dem Raum. Ein kleines Mädchen von vielleicht zwölf Jahren, nahm das Netz vom Haken und brachte es in die Küche. Dort nahm sie sieben Zwiebeln, die sie als besonders groß und schön empfand heraus und legte sie zur Seite.
Die Kellertüre öffnete sich und es wurde hell in dem Raum. Ein kleines Mädchen von vielleicht zwölf Jahren, nahm das Netz vom Haken und brachte es in die Küche. Dort nahm sie sieben Zwiebeln, die sie als besonders groß und schön empfand heraus und legte sie zur Seite.
Gespannt sah das kleine Zwiebelchen zu,
was weiter geschah. Das Mädchen nahm ein Messer und zog geschickt die Außenhäute der ersten Zwiebel ab. Dann folgten nacheinander die anderen Sechs.
„Beeil dich, Kathrinchen!“ rief
eine Frauenstimme ihr zu. „Wir brauchen die Zwiebeln heute noch.“
Aha, Kathrinchen hiess das Mädchen
also.
Ihm fiel plötzlich auf, dass es selbst gar keinen Namen hatte. Alle Zwiebel waren namenlos. Obwohl es schon die unterschiedlichsten Nachbarn neben sich im Netz hatte
hängen sehen. Schalotten, kleine Perlzwiebelchen, riesige
Gemüsezwiebeln, weiße Zwiebeln, rote Zwiebeln, Silberzwiebeln und
Lauchzwiebeln, die allerdings als einzige von allen Zwiebelarten
vornehm in einem Karton lagen.
Es selbst gehörte zur Gattung der
Mutterzwiebel, der ganz normalen, ordinären Küchenzwiebel.
Weiter gingen seine Gedanken nicht, denn
plötzlich wurde das Netz wieder gepackt und es ging zurück an einen
den Haken neben der Kellertreppe, wo auch die anderen Zwiebeln hangen.
Oh, oh...
“Vorsicht!“ wollte das Zwiebelchen
gerade noch rufen, als es auch schon aus dem großen Loch in dem Netz
heraus fiel, die hölzerne, lange Stiege hinab kullerte und dann
hinter ein paar Bierfässern in einer Ecke liegen blieb.
Da es so klein war, hatte ihm der
Sturz nicht viel ausgemacht. Nur an der Wurzel war eine winzige
Delle, kaum der Rede wert. Ihre Häute hatten es gut geschützt.
Eine Spinne huschte erschreckt die
Wand hoch und verzog sich dann tief in eine Ecke, als sie es anrollen sah. Jetzt war des Zwiebelchens größte Angst wahr
geworden. Es lag auf dem Kellerfußboden und war völlig allein.
Keiner würde hier nach ihm suchen. Es würde verschimmeln, verfaulen, verrotten und
sich mit der Zeit in Nichts auflösen.
Nein! Das wollte es auf gar keinen
Fall! Das Zwiebelchen wollte um seine Daseinsberechtigung kämpfen.
Es wusste nur noch nicht wie...
So verging die Zeit.
Es passierte nicht viel. Außer, dass es hier regelmäßig einen Wasserschaden gab und der Boden mit Wasser überflutet wurde. Klar, wurde hier von Kathrinchens Eltern hinterher wieder alles trocken gewischt, aber in die Ecke, in welcher sich das Zwiebelchen befand, kamen sie mit ihrem Aufwischmop nie. Zu umständlich, meinten sie. Würde schon von alleine wieder trocknen mit der Zeit...
Die Türe oben wurde wie immer oft geöffnet und durch einen winzigen Spalt im Fenster, welches mit alten Holzbrettern zugenagelt worden war, fielen ab und zu ein paar Sonnenstrahlen.
Es passierte nicht viel. Außer, dass es hier regelmäßig einen Wasserschaden gab und der Boden mit Wasser überflutet wurde. Klar, wurde hier von Kathrinchens Eltern hinterher wieder alles trocken gewischt, aber in die Ecke, in welcher sich das Zwiebelchen befand, kamen sie mit ihrem Aufwischmop nie. Zu umständlich, meinten sie. Würde schon von alleine wieder trocknen mit der Zeit...
Die Türe oben wurde wie immer oft geöffnet und durch einen winzigen Spalt im Fenster, welches mit alten Holzbrettern zugenagelt worden war, fielen ab und zu ein paar Sonnenstrahlen.
Doch etwas hatte sich verändert.
Das
Zwiebelchen war zwar immer noch kleiner als die anderen Zwiebeln, aber eines Tages spürte es, wie etwas aus ihm heraus wuchs.
Grüne Stängelchen sprossen aus der
Schale hervor und wuchsen und wuchsen, bis sie schließlich die
Bierfässer überragt hatten.
Das Zwiebelchen konnte endlich darüber
hinwegsehen und freute sich, dass es näher am Licht war. Denn je höher die Stängel gewachsen waren, desto näher waren sie dem
Kellerfenster gekommen und bekamen so etwas mehr von den Sonnenstrahlen
ab.
Nun hoffte es, dass der Koch es entdecken und endlich verwenden würde.
Lange passierte nichts. Die Stängel
wuchsen und wuchsen und die Zwiebel bekam viele lange und dünne
Wurzeln...
Da ging auf einmal die Türe auf und
Kathrinchen steckte ihren Kopf herein. Sie wollte sich eigentlich nur
ein Netz mit Zwiebeln greifen, als ihr Blick auf die Bierfässer und
die grünen Stängel der Zwiebel fiel.
Sie hat mich gesehen! jubelte das Zwiebelchen. Endlich werde ich meinem wahren Zweck zugeführt.
Kathrinchen, die schon zum Netz
gegriffen hatte, stockte mitten in der Bewegung und schaute auf den
Kellerboden.
„Was ist das denn?!“ rief sie und
dann: „Paps, komm´ doch mal schnell. Da unten wächst was!“
Der Kopf ihres Vaters erschien in der
Tür und beide schauten sie auf die grünen Stängel. Sie gingen hinunter und entdeckten endlich nach all der langen Zeit das kleine Zwiebelchen.
Hmm....“ brummte ihr Vater, „´ne alte Zwiebel“ und
zog sie an ihren Stängeln vom Boden hoch. „Wird wohl oben aus dem
Netz gefallen sein.“
Er sah sie sich an und meinte, das er
sie am besten gleich auf den Komposthaufen werfen würde.
„Nein, bitte nicht!“ schrie
Kathrinchen auf.
„Du weisst doch, dass ich mir gerne ein kleines Gemüsebeet anlegen möchte.“ Flehend sahen ihre Augen den Vater an.
„Du weisst doch, dass ich mir gerne ein kleines Gemüsebeet anlegen möchte.“ Flehend sahen ihre Augen den Vater an.
„Darf ich sie nicht für mich mich
behalten? Ich würde sie gerne einpflanzen. Wer weiß, vielleicht
vermehrt sie sich ja .“
„Ich weiß nicht...“ brummelte ihr
Vater wieder und wiegte unentschlossen seinen Kopf hin und her.
„Paps, was soll denn schon
passieren?“ fragte Kathrinchen ihn. „Sie könnte höchstens
eingehen und dann kann ich sie immer noch auf den Biokompost werfen.
Bitte!“
„Na gut, meinetwegen. Probiere es
aus. Wenn es nichts wird, dann hast du halt Pech gehabt. Aber da
diese Zwiebel sich so gut hier unten gehalten hat und nicht
vergammelt ist, sondern sogar Triebe entwickelt hat, wirst du
vermutlich Glück mit ihr haben“, antwortete er ihr.
Kathrinchen umarmte ihn stürmisch und
bedankte sich. Dann nahm sie das Zwiebelchen vorsichtig hoch und trug es in ihrer Küchenschürze, die sie trug, nach draußen zu einem
kleinen Beet, welches ihr ganz alleine gehörte.
Sie machte ein kleines Loch in die
Erde, setzte das Zwiebelchen dort ein, bedeckte es mit Erde und goß es tüchtig. Dann schnitt sie ein kleines Stück der grünen Stängel ab
und schaute stolz auf ihren Schatz.
Sie wusste, dass daraus etwas ganz
Neues entstehen würde. „Wachs´ schön“, flüsterte sie dem Zwiebelchen zu und lächelte dabei.
Ein paar Zentimeter unter der Erde
freute sich das kleine, über sich hinausgewachsene Zwiebelchen, dass
es endlich am Ende seines Weges angekommen war. Es würde sich
vermehren und geerntet werden, um letztendlich doch noch auf einem
Tomatensalat oder in einer Zwiebelsuppe zu landen.
Das Mädchen schlenderte fröhlich vor
sich hin singend zurück ins Haus.
Die Zwiebelstängel sahen sich im
Garten um, erfreut darüber, dem dunklen Keller entronnen zu sein.
Alles ringsumher war bunt und
leuchtend. So konnte es einem gefallen.
Da sah es in ein paar Zentimetern Entfernung eine Schnecke auf sich zukommen.
Erschrocken schauten die Stängel des Zwiebelchens diesem ihr unbekannten Geschöpf entgegen.
Mussten sie sich fürchten?
Bevor die Stängel darüber nachdenken konnten, änderte die Schnecke in Zeitlupe, weil sie nicht schneller konnte, ihre Richtung und verschwand aus ihrem Sichtfeld.
Zwiebeln standen nicht auf ihrer Speisekarte...
Erschrocken schauten die Stängel des Zwiebelchens diesem ihr unbekannten Geschöpf entgegen.
Mussten sie sich fürchten?
Bevor die Stängel darüber nachdenken konnten, änderte die Schnecke in Zeitlupe, weil sie nicht schneller konnte, ihre Richtung und verschwand aus ihrem Sichtfeld.
Zwiebeln standen nicht auf ihrer Speisekarte...
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(Christian Morgenstern)
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